Solidarität – Retinität

Andreas Lienkamp

Solidarität und Retinität in Zeiten des Klimawandels

Überlegungen aus der Perspektive einer Ethik der Nachhaltigkeit

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Zuvor

Der gegenwärtige, menschengemachte Klimawandel ist aufgrund seiner schon eingetretenen, nicht mehr vermeidbaren und noch zu befürchtenden erheblichen negativen Auswirkungen auf das Erdsystem und damit auf Menschen, Tiere und Pflanzen eines der größten Probleme des 21. Jahrhunderts. Wegen seiner räumlichen und zeitlichen Ausdehnung ist er zugleich eine der größten Herausforderungen für interpersonale, zwischenstaatliche und intergenerationelle Solidarität. Aber auch das Verhältnis unserer Spezies zur außerhumanen Natur ist in eine schwere Krise geraten, die nach einer grundlegenden Neuausrichtung ruft, deren Maßstab hier – in Analogie zum Begriff der Solidarität – als Retinität bezeichnet wird.

Der vorliegende Artikel nimmt die Perspektive einer christlichen Ethik der Nachhaltigkeit 2 ein, die sich begreift als eine am Leitbild nachhaltiger Entwicklung ausgerichtete, analytisch-normative Handlungswissenschaft. Als solche benötigt sie drei Kompetenzen bzw. Instrumente: erstens Optik (griech. optike techne), d. h. die Fertigkeit der genauen Wahrnehmung der naturalen und sozialen Wirklichkeit, zweitens Kritik (griech. kritike techne), also die Kunst der Unterscheidung, Prüfung und Bewertung, und drittens Pragmatik (griech. pragmatike techne), d. h. das Wissen um das gute und richtige Handeln. Entsprechend sind die folgenden Überlegungen nach der Methode Sehen – Urteilen – Handeln aufgebaut. In einem ersten Schritt werden Symptome, Ursachen und Folgen des Klimawandels beleuchtet, in einem zweiten Schritt dann vor diesem Hintergrund Solidarität und Retinität als Seins- und Sollensprinzipien entfaltet und in einem dritten Schritt schließlich Überlegungen zum Schutz des Klimas und zum Schutz vor dem Klima präsentiert, die sich ihrerseits an den zuvor erläuterten ethischen Prinzipien orientieren werden. 45|46

I. Optik: Der gegenwärtige Klimawandel – Symptome, Ursachen und Folgen

Der Fünfte Sachstandsbericht (Fifth Assessment Report, AR5) des Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) lässt kaum noch Zweifel: Der Mensch ist die entscheidende Ursache der globalen Erwärmung und damit auch der aus ihr resultierenden Folgen:

„Human influence has been detected in warming of the atmosphere and the ocean, in changes in the global water cycle, in reductions in snow and ice, in global mean sea level rise, and in changes in some climate extremes […]. It is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century.“ 3

Extremely likely wird im AR5 definiert als eine Wahrscheinlichkeit von 95 bis 100 Prozent 4! Damit ist die Gewissheit sowohl in der Völkergemeinschaft als auch in der Scientific Community gegenüber dem letzten Report aus dem Jahr 2007 noch einmal gewachsen.

Mit der 1992 unterzeichneten Klimarahmenkonvention (UNFCCC) haben sich die mittlerweile 196 Vertragsparteien auf das „Endziel“ („ultimate objective“) geeinigt, durch eine rechtzeitige Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern 5. Inzwischen wurde dies durch das sog. 2 °C-Limit konkretisiert 6, da spätestens dann mit gefährlichen Auswirkungen zu rechnen ist, wenn die globale durchschnittliche Erdoberflächentemperatur um mehr als 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigt. Aus Sicht der akut vom steigenden Meeresspiegel bedrohten kleinen Insel und tiefliegenden Küstenstaaten ist dieser Schwellenwert allerdings zu hoch, wie ihr Slogan „one point five to stay alive“ verdeutlicht 7. Der messbare Temperaturanstieg beträgt für den Zeitraum 1880 bis 2012 rund 0,8 °C 8. Weitere 0,6 °C 46|47 sind bereits vorprogrammiert und werden aufgrund der Trägheit des Klimasystems selbst dann noch hinzukommen, wenn die Menschheit sofort aufhören würde, Treibhausgase zu emittieren. Damit ist ein Temperaturanstieg um mindestens 1,4 °C bereits unvermeidbar. Abbildung 1 stellt neben den (in schwarz eingetragenen) Messdaten die beiden extremen Szenarien dar, die aufzeigen, innerhalb welcher Bandbreite sich die Temperatur in Abhängigkeit von den Emissionen und anderen Variablen bis zum Jahrhundertende entwickeln könnte:

RCP: „Representative Concentration Pathway“; RCP8.5: „total radiative forcing in year 2100 relative to 1750: 8,5 W/m2„; RCP2.6: 2,6 W/m2) 9. Die rechte Skala gibt den Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau an.

Abbildung 1: „Past and projected global annual average surface temperature“ 10

Demnach ist – entsprechend dem Hochemissions-Szenario RCP8.5 (mit einem zusätzlichen Strahlungsantrieb von 8,5 W/m2) – eine Erwärmung bis zum Jahr 2100 um bis zu 5,41 °C möglich 11. Diese wäre ohne Präzedens in der Geschichte 47|48 der menschlichen Zivilisation und hätte einen völlig veränderten Planeten zur Folge. Die Anpassung an derartige und zudem ungewöhnlich schnell ablaufende Veränderungen würde die Menschheit vor eine kaum lösbare Aufgabe stellen, zumal die gesamte Infrastruktur, die landwirtschaftliche und industrielle Produktion, die kollektiven und individuellen Erfahrungen sowie Wissenschaft und Technik an ein über lange Zeit stabiles Klima adaptiert sind. Substanzielle Veränderungen in diesen Bereichen, sofern denn möglich, brauchen viel Zeit und sind nur mit gewaltigen (u. a. finanziellen) Anstrengungen zu realisieren. Aber auch die anderen Szenarien, selbst das harmlos erscheinende RCP2.6-Szenario, wären zwar geringere, allerdings immer noch mehr oder weniger schwerwiegende Übel. Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Szenarien sind keine Prognosen, sondern Wenn-Dann-Aussagen. „Sie dienen vor allem dazu, die Konsequenzen verschiedener Handlungsoptionen zu beleuchten. […] Falls sich die Weltgemeinschaft dafür entscheidet, Klimaschutz zu betreiben und die CO2-Konzentration zu stabilisieren, treten die pessimistischeren Szenarien nicht ein – das bedeutet natürlich nicht, dass dies dann ‚falsche Vorhersagen‘ waren, vielmehr wären diese Szenarien eine rechtzeitige Vorwarnung gewesen.“ 12

1. Ursachen des Klimawandels

Seit Beginn der Industrialisierung verändert die Menschheit in signifikanter Weise die Zusammensetzung der Atmosphäre, insbesondere durch gewaltige Treibhausgasemissionen sowie durch großflächige Waldvernichtung. Der jährliche Ausstoß von Kohlen(stoff)dioxid, des wichtigsten vom Menschen emittierten Treibhausgases, liegt derzeit bei rund 35 Gigatonnen CO2 pro Jahr und wird sich im Jahr 2020 voraussichtlich sogar auf 41 Gigatonnen belaufen 13, wenn sich der vorherrschende Trend fortsetzt. Aufgrund der über Jahrzehnte hohen Emissionen und der langen Verweildauer des Gases in der Atmosphäre ist die CO2-Konzentration bis heute stetig gestiegen und hat im August 2014 saisonbereinigt 398,73 ppm erreicht 14. Dieser Wert ist der höchste seit mindestens 800.000 Jahren, vermutlich sogar seit 15 Millionen Jahren. Der vorindustrielle Wert lag über längere Zeit relativ 48|49 konstant bei rund 280 ppm. Abbildung 2 zeigt die Messdaten, die seit den späten 1950er Jahren auf dem Mauna Loa auf Hawaii gesammelt werden:

Abbildung 2: Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre 15

Die nach oben weisende Tendenz ist eindeutig und bislang ungebrochen 16. Aber nicht nur die atmosphärische Konzentration von Kohlen(stoff)dioxid, sondern auch die anderer wirksamer Treibhausgase wie Methan oder Lachgas hat erheblich zugenommen 17 . Hauptursachen sind: der starke Anstieg der Verbrennung kohlenstoffhaltiger fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl und Erdgas), die Ausweitung der industriellen Produktion und des (verbrennungsmotorisierten) Verkehrs, das Wachstum der Weltbevölkerung – gekoppelt mit einem Anstieg des durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauchs von Energie und Ressourcen -, Änderungen bei der Landnutzung, hier sind vor allem Waldrodung, aber auch Wald- und Buschbrände sowie Düngemitteleinsatz zu nennen, die Ausweitung der Viehwirtschaft, vor allem die hohe Zahl methan-emittierender Wiederkäuer, sowie völlig neue klimaschädliche Substanzen, die durch den Menschen erzeugt werden, wie z. B. die FCKW und ihre Ersatzstoffe. 49|50

2. Folgen des Klimawandels

Der Anstieg der durchschnittlichen Temperaturen der Erdoberfläche und der Ozeane hat erhebliche Folgen für die Natur und den Menschen, der buchstäblich auf Gedeih und Verderb mit dieser seiner Existenzgrundlage verwoben und von ihr sowie von einem lebensfreundlichen Klima abhängig ist. So gleichmäßig sich die Treibhausgase in der Atmosphäre verteilen, so ungleich ist die Temperaturentwicklung, wie der AR5 hervorhebt: „The Arctic region will warm more rapidly than the global mean, and mean warming over land will be larger than over the ocean“. 18 Letzteres hat zur Folge, dass die meisten Landlebewesen, einschließlich des Menschen, steigenden Temperaturen ausgesetzt sein werden, die zum Teil erheblich über dem globalen Mittelwert liegen.

a) … für die Natur

Höhere Temperaturen führen zu einer Schrumpfung der polaren Eisbedeckung, der Gebirgsgletscher und der Schneeflächen sowie zum Auftauen von Permafrostgebieten. Der dadurch bedingte zusätzliche Wasserzufluss in die Ozeane lässt den Meeresspiegel steigen (etwa 3/5 des beobachteten Zuwachses). Ein weiterer Anstieg geht auf die thermische Ausdehnung zurück, eine Folge der höheren Wassertemperaturen (etwa 2/5). Der AR5 gibt für das RCP8.5-Szenario einen möglichen Anstieg bis zum Jahrhundertende um 98 cm (gegenüber dem Zeitraum 1986 bis 2005) an 19 . Weniger konservative Schätzungen gehen von einer Erhöhung um 104 cm bis 143 cm im Jahr 2100 aus, denkbar ist danach aber auch ein Anstieg um bis zu zwei Meter 20 . Betrachtet man längere Zeiträume, so ist die potenzielle Entwicklung noch bedenklicher: Nach einer in Nature Climate Change veröffentlichten Studie kann es bei einem 2 °C-Szenario bis zum Jahr 2300 zu einem Anstieg um 1,6 bis 4 m (gegenüber dem Jahr 2000) kommen; der beste Schätzwert liegt hier bei 2,7 m 21 .

Eine Folge des steigenden Meeresspiegels ist, dass tiefliegende Inseln, Delta- und Küstengebiete dauerhaft überflutet werden und Sturmfluten das salzige Meerwasser entsprechend weiter ins Landesinnere drücken. Zudem werden extreme Wetterereignisse häufiger und / oder intensiver: Heftigere Stürme, einschließlich tropischer Wirbelstürme, führen zu stärkeren Zerstörungen, Starkniederschläge lösen 50|51 Erosionen und Überschwemmungen aus, größere Hitze zieht Dürren und Waldbrände nach sich. Klimazonen verschieben sich, was vor allem dort, wo Lebewesen nicht in größere Höhen oder polwärts ausweichen können, eine Verringerung der Biodiversität nach sich zieht. Darüber hinaus werden angestammte durch besser an die veränderten Bedingungen angepasste oder resilientere einwandernde oder eingeschleppte Arten verdrängt, ja ganze Ökosysteme bedroht, wie z. B. die Korallenriffe durch zu warmes und ansteigendes Meerwasser. Die Versauerung der Ozeane durch den Eintrag von CO2 (das mit H2O zu Kohlensäure reagiert und die Kalkschalenbildung von Meeresbewohnern beeinträchtigt) hat ebenfalls negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Nahrungskette.

Ein besonderes Problem sind die „positiven“, d. h. den Klimawandel verstärkenden Rückkopplungen. Das bedeutet, dass Folgen des gegenwärtigen Klimawandels selbst wieder zu Ursachen werden. Hier ist erstens die Eis-Albedo-Rückkopplung zu nennen: Die Erwärmung der bodennahen Atmosphäre führt zu einem Abschmelzen von eis- und schneebedeckten („weißen“) Flächen. Dadurch sinkt die Albedo, das Rückstrahlvermögen der Erde, was zu zusätzlicher Erwärmung führt, und der Prozess beginnt von vorn, nun aber in gesteigerter Form. Zweitens ist die Wolken-Wasserdampf-Rückkopplung zu berücksichtigen: Die Erwärmung der bodennahen Atmosphäre bedingt, dass die Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Die unsichtbaren Moleküle stellen ein wirksames Treibhausgas dar. Eine höhere Konzentration verstärkt den Treibhauseffekt und führt zu zusätzlicher Erwärmung. Die dritte Rückkopplung beinhaltet, dass eine wärmere bodennahe Atmosphäre zum Auftauen von Permafrost führt. In den bis dato dauerhaft gefrorenen Böden z. B. Sibiriens oder Kanadas lagern gewaltige Mengen gebundenen Kohlen(stoff)dioxids und Methans, die mit der Erwärmung nach und nach freigesetzt werden. Eine höhere CO2– und CH4-Konzentration in der Atmosphäre erzeugt eine zusätzliche Erwärmung usf. Das vierte Phänomen ist die veränderliche CO2-Aufnahmekapazität der Weltmeere. Höhere Wassertemperaturen führen dazu, dass weniger Kohlen(stoff)dioxid gespeichert werden kann. CO2 wird folglich in die Atmosphäre emittiert und sorgt für eine zusätzliche Erwärmung von Luft und Wasser. Die Gefahr ist, dass solche sich selbst verstärkenden Prozesse eine Eigendynamik entfalten, die möglicherweise nicht mehr gestoppt werden kann. Die Klimaforschung spricht in diesem Zusammenhang von „Kippelementen“ oder „Kippschaltern“ im Erdsystem. Das sind großräumige Ereignisse, die auf abrupte und teils irreversible Weise infolge der Erderwärmung auftreten könnten. Diese Schalter darf die Menschheit auf keinen Fall umlegen.

b) … für den Menschen

Die Veränderungen in der Natur bleiben nicht ohne Folgen für die Menschheit. So muss mit einem vorzeitigen Tod einer großen Zahl von Menschen durch Stürme, Überschwemmungen, Hitze oder Trockenheit gerechnet werden. Allein im Sommer 2003 wurden in zwölf europäischen Ländern mehr als 80.000 zusätzliche, hitzebe-51|52dingte Todesfälle registriert 22. Jener Sommer war ein Extremereignis. Bei business as usual könnte eine derartige Hitzeperiode aber schon in den 2040er Jahren zu einem gewöhnlichen Ereignis werden. In den 2060er Jahren würde ein solcher Sommer sogar zu den eher „kühlen“ gerechnet werden. Ein anderes Beispiel ist der Supertaifun Haiyan, durch den im November 2013 über 4.000 Menschen zu Tode kamen. Zwar kann nicht jeder tropische Wirbelsturm dem Klimawandel unmittelbar zugerechnet werden (auch vor der fossilen Industrialisierung hat es Ereignisse dieser Art gegeben). Dass aber solche Stürme vor allem über wärmerem Ozeanwasser an Intensität zunehmen, gilt für den Nordatlantik und die Zeit seit 1970 als virtually certain (99-100 %) und für das Jahrhundertende für den Nordatlantik und den westlichen Nordpazifik als more likely than not (50-100 % Wahrscheinlichkeit) 23 . In der Kombination mit einer wachsenden Bevölkerung in gefährdeten Küstenregionen, dem weiteren (vorerst unaufhaltsamen) Meeresspiegelanstieg und Überschwemmungen in der Folge von zunehmenden Starkniederschlägen werden die Schäden solcher Sturmereignisse anwachsen.

Dass die genannten Veränderungen die körperliche und seelische Gesundheit von Menschen beeinträchtigen, liegt auf der Hand. Hinzu kommt die mögliche Ausbreitung vektorenübertragener oder wasserabhängiger Krankheiten. Infolge ausbleibender oder zu heftiger Niederschläge sinken zudem die Ernteerträge; aufgrund von Überflutung gehen landwirtschaftliche Nutzflächen auf Dauer verloren, oder sie werden durch Meerwasserintrusion, Wüstenbildung und Bodendegradation auf lange Zeit für eine landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar. Dadurch nehmen Hunger und Unterernährung zu. Der Gletscherschwund wiederum hat negative Auswirkungen auf die Wasservorräte und versorgung großer Teile der Weltbevölkerung, da durch den Rückgang der Süßwassernachschub aus den Bergen geringer ausfällt. Auch infolge ausbleibender Niederschläge, sinkender Grundwasserpegel und des Eindringens von Meerwasser in Süßwasserreservoire schrumpfen die weltweiten Trinkwasservorräte.

Werden überlebenswichtige Ressourcen knapper, sei es physisch oder hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit, dann werden immer mehr Menschen von deren Nutzung ausgeschlossen, auch aufgrund steigender Preise und unzureichender Kaufkraft. Soziale Konflikte um Ressourcen nehmen schon jetzt zu 24. Menschen müssen fliehen, wenn ihr bisheriges Wohngebiet überflutet oder aus anderen Gründen unwirtlich geworden ist. Damit verlieren sie zu-gleich ihre Heimat und zumindest ein gewisses 52|53 Maß an Sicherheit. Des Weiteren ist ihre kulturelle Identität bedroht. Zusammengenommen bedeuten die genannten Entwicklungen einen erheblichen Verlust an Lebensqualität, im Extremfall den Tod. Hinzu kommen enorme private, betriebs- und volkswirtschaftliche finanzielle Schäden, wovon die Rückversicherungswirtschaft aufgrund zunehmender Schadenereignisse schon seit längerem zu berichten weiß. Wie sollen sich insbesondere ärmere Länder, Regionen, Kommunen, Unternehmen oder Individuen an veränderte klimatische Bedingungen und häufigere Extremwetterereignisse anpassen? Wie sollen sie sich dagegen versichern? Wenn schon Städte wie Bremen finanzielle Probleme haben, sich gegen einen steigenden Meeresspiegel und Sturmfluten hinreichend zu schützen, was sollen dann erst Staaten wie Vietnam oder Bangladesch oder bedrohte Megacities wie Mumbai, Shanghai oder Dhaka sagen? Wie deutlich wurde, ist der Klimawandel kein isoliertes Problem. Vielmehr verstärkt er andere Gerechtigkeitsprobleme wie Hunger, Armut oder gewaltförmige Konflikte.

3. Hauptverursacher und Hauptleidtragende

Seit der Klimarahmenkonvention und dem zugehörigen Protokoll von Kyoto betont die internationale Gemeinschaft immer wieder die „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ („common but differentiated responsibilities“) der einzelnen Staaten 25 . Hintergrund ist, dass diese historisch und gegenwärtig, absolut und pro Kopf ihrer Bevölkerung in höchst unterschiedlichem Ausmaß zum Klimawandel beigetragen haben und noch immer beitragen. Die Hauptverursacher, deren Wohlstand maßgeblich auf der kostenlosen Übernutzung der globalen Allmende Klimasystem basiert, sind vor allem die Industrie , aber auch die Schwellenländer sowie die reichen Eliten in den Entwicklungsländern.

Ethisch relevant ist dabei nicht nur die unterschiedliche Beteiligung an der anthropogenen Manipulation des Klimasystems, sondern auch und vor allem, dass die negativen Auswirkungen insbesondere bei denen auftreten (werden), die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben: die armen, schwachen und benachteiligten und damit besonders vulnerablen Individuen und Staaten, die nachrückenden Generationen und die außermenschlichen Geschöpfe. Etwas vereinfacht gesagt ist das Verhältnis umgekehrt proportional: Diejenigen, die am meisten emittiert haben, sind am wenigsten betroffen und verwundbar; diejenigen, die am wenigsten klimaschädlich agiert haben, werden am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. So konstatiert die Arbeitsgruppe 2 des Weltklimarates: „Climate-related hazards affect poor people’s lives directly through impacts on livelihoods, reductions in crop yields, or 53|54 destruction of homes and indirectly through, for example, increased food prices and food insecurity.“ 26

Abbildung 3 demonstriert die beschriebene Diskrepanz: Es gibt nur einige wenige Länder, die sowohl zu den höchsten Pro-Kopf-Emittenten als auch zu den verwundbarsten Staaten gehören. Andrew C. Revkin spricht von „climate divide“ 27 , Hermann Held von einer „fast perfekten Antikorrelation“ 28 zwischen den historischen wie aktuellen Hauptverursachern einerseits und den heutigen Hautleidtragenden des Klimawandels andererseits. Zu dieser erheblichen Diskrepanz kommt hinzu, dass die maßgeblichen Emittenten und Entscheidungsträger der Gegenwart aufgrund ihrer begrenzten Lebenszeit die negativen Folgen nicht oder nur bedingt am eigenen Leib zu spüren bekommen werden, wie schon der Brundtland-Bericht nüchtern feststellt: „Most of today’s decision makers will be dead before the planet feels the heavier effects of acid precipitation, global warming, ozone depletion, or widespread desertification and species loss.“ 29

Abbildung 3: Größte Verwundbarkeit versus größte CO2-Emissionen pro Kopf 30

54|55 Zudem wird es für die Reichen und Mächtigen noch eine ganze Weile Optionen geben, über die die Armen und Ohnmächtigen nicht verfügen. Wer genügend Geld besitzt, ist eher in der Lage, den Folgen des Klimawandels auszuweichen, sich anzupassen, zu schützen, zu versichern oder entstandene reversible Schäden zu beheben.

Neben die Spaltung der Weltgesellschaft tritt also die Spaltung zwischen den jetzt Lebenden, insbesondere denen, die klimarelevante Entscheidungen treffen können, und den nachrückenden Generationen, die die Kinder, die Ungeborenen und noch Ungezeugten umfassen. Und schließlich gibt es die Spaltung zwischen der grundsätzlich entscheidungsfähigen Menschheit und den anderen Lebewesen und Ökosystemen, die allenfalls, wenn überhaupt, reagieren können.

II. Kritik: Solidarität und Retinität als Seins- und Sollensprinzipien

Nachdem dargelegt wurde, welche enorme Herausforderung der Klimawandel für die Menschheit darstellt, soll nun das Solidaritätsprinzip als wichtiges Kriterium einer Ethik der Nachhaltigkeit vorgestellt werden. Allerdings gibt es gute Gründe, den Solidaritätsbegriff für den zwischenmenschlichen Bereich zu reservieren, ihn also nicht auf die Beziehung des Menschen zur außerhumanen Natur anzuwenden. Da sich die Verantwortung des Menschen gemäß dem hier zu Grunde gelegten ethischen Konzept aber nicht auf die Angehörigen seiner eigenen Spezies beschränkt, musste ein analoger Begriff gefunden werden. So prägte Wilhelm Korff Ende der 1980er Jahre den Terminus „Retinität“: „Die zentrale Intention […] war die Abwehr von Konzeptionen, die spezifisch zwischenmenschliche Begriffe wie ‚Solidarität‘ […] auf die ethische Bestimmung des menschlichen Verhältnisses zur Natur übertragen.“ 31 Solidarität und Retinität sind also nicht nur verwandte, sondern komplementäre Begriffe, die als solche nachfolgend näher definiert werden sollen. Anschließend werden die Gründe benannt, warum von einer moralischen Pflicht zur Solidarität und Retinität gesprochen werden kann.

1. Solidarität

Trotz seiner Wurzeln im römischen Recht ist Solidarität ein moderner Begriff, der schon kurz nach der französischen Revolution zum Synonym der fraternité und 55|56 dann in der sozialistischen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts zu einem antikapitalistischen Kampfbegriff avancierte. Als „internationale Solidarität“ nahm er hier bereits – wenigstens tendenziell – universale Züge an 32 . Mit Oswald von Nell-Breuning lassen sich zwei Dimensionen unterscheiden: zum einen die „Gemeinverstrickung“ im Sinne eines soziologisch ermittelbaren Faktums, eines tatsächlichen Sachverhalts (solidarité de fait, Seinsprinzip), und zum anderen die „Gemeinverhaftung“, verstanden als eine ethische Forderung, eine normative Aussage (solidarité de devoir, Sollensprinzip) 33 . Gemeinverstrickung könnte man mit Interdependenz („Alles hängt mit allem zusammen“), Gemeinverhaftung hingegen mit Verantwortung („Einer für alle – alle für einen“) übersetzen.

Wenn man anerkennt, dass Solidarität nicht nur eine unbestreitbare deskriptive, sondern zugleich eine universalisierbare präskriptive Kategorie darstellt 34 , dass es also eine moralische Pflicht zur Solidarität gibt, dann steht es einem nicht frei, sich solidarisch zu verhalten oder nicht. Und dann steht es einem ebenfalls nicht frei, Solidarität willkürlich zu begrenzen. „Wenn nicht das, was mir nützt, maßgebend ist, sondern die Achtung vor den anderen“, so Ernst Tugendhat, „besteht keine Möglichkeit, daß ich noch bestimmen dürfte, wer die anderen sind. Die Regeln beziehen sich auf alle: sie sind universell. Und ebenso muß man die Regeln jetzt notwendig als egalitär fassen, da doch eine beliebige Person dafür maßgebend sein soll, welche Regeln gelten.“ 35

Trifft dies zu, dann besitzt Solidarität als normativer Begriff einen unbedingten und universalen Charakter. Für Helmut Peukert stellt die so verstandene Solidarität mit den Anderen die „konstitutive Bedingung der Möglichkeit des eigenen Menschseins“ dar 36 . Teilt man diese Auffassung, dann folgt daraus, dass die Solidaritätspflichten nicht an den Grenzen von Familie und Freundeskreis, des lokalen bzw. nationalen Gemeinwesens oder bei den jetzt Lebenden enden, auch wenn vielen ganz offensichtlich das „Hemd“ näher ist als der „Rock“ und so sehr dies wiederum aus moralpsychologischer Sicht nachvollziehbar ist 37 .
56|57

„Diese Solidarität ist insofern universal, als sie sich sowohl auf die zukünftigen Generationen wie auf das Zerstörte und Vernichtete der Vergangenheit bezieht. Erinnerung an die Opfer der Geschichte hat nicht nur die funktionale Bedeutung, zum Kampf für eine bessere Zukunft zu motivieren. Fortschritt nur nach vorn war für [Walter] Benjamin die Fortsetzung der Katastrophe. Erinnern des Vernichteten überschreitet das Aneignen von ‚Kulturgütern‘, es zielt auf eine umfassendere Bildung menschlichen solidarischen Bewusstseins“ 38 .

Gerade angesichts derjenigen, die dem Klimawandel bereits zum Opfer gefallen sind, ist auch diese rückschauende Solidarität im Blick zu behalten.

Ist Solidarität dem Belieben entzogen, so stellt sich die Frage nach den vorrangigen Adressaten mit entsprechenden legitimen Ansprüchen. Für Wilhelm Korff sind es die Armen, die „ein Recht auf die Solidarität der Reichen“ haben 39 . Dies müsse sich auch in der Rechtsordnung niederschlagen, auch auf der Ebene globaler Wirtschaftsbeziehungen 40 . Denn

„Solidarität […] ist nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das ‚Gemeinwohl‘ einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind.“ 41

Mit dieser semantischen Anspielung stellt Johannes Paul II. die Solidarität der Gerechtigkeit an die Seite, deren klassische Definition bei Ulpian lautet: „Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi.“ 42

Was das „Gemeinwohl“ bzw. das „Recht“ ist, für das man sich unablässig einsetzen soll, ist in diesen Formeln allerdings ebenso wenig bestimmt wie das Verhältnis von Solidarität und Gerechtigkeit. Dietmar Mieth verknüpft die beiden zuletzt genannten Begriffe und führt sie damit einer entscheidenden Klärung zu. Beim Gemeinwohl gebe es zwei Interpretationen: eine (aus christlicher Sicht unhaltbare) utilitaristische oder „völkische“ Variante, wonach das größte Wohl der größten Zahl entscheidender sei als das Wohl des Einzelnen; zum anderen gebe es aber auch eine menschenrechtliche Variante, wonach das demokratische Gemeinwohl in der Summe der Garantien der Menschenwürde und der Menschenrechte aller bestehe. „Das heißt: Man muss sich im Namen des Gemeinwohls für die Rechte des Einzel-57|58nen einsetzen.“ 43 Hier finden Gemeinwohl und Recht und zugleich Solidarität und Gerechtigkeit ihre Zuordnung.

Der gegenwärtig beobachtbare Klimawandel, der gefährliche Ausmaße anzunehmen beginnt, bedroht und verletzt Menschenrechte. Näherhin sind dies das Recht auf Leben und physisch-psychische Integrität, das Recht auf Gesundheit, Nahrung und Trinkwasser, das Recht auf menschenwürdige (Erwerbs-)Arbeit und Eigentum, das Recht auf Heimat und Frieden, auf nachhaltige Entwicklung und soziale Sicherheit sowie das Recht auf eine intakte natürliche Umwelt. Für Mary Robinson stellt der Klimawandel darum eine Menschenrechtsverletzung dar: „The increasing threat of climate change has the potential to violate the fundamental freedoms of those living in areas most at risk. […] Climate change is a subtle form of human rights violation.“ Auch wenn eine eindeutige Verantwortungszuschreibung nicht leicht falle, so seien doch Menschenrechtsexperten, zivilgesellschaftliche Organisationen und indigene Völker überzeugt „that the failure of the highest emitting nations to take action does constitute a breach of human rights law“ 44 .

Aber nicht nur die Würde und Rechte der lebenden, auch die der noch nicht existierenden Menschen können schon jetzt durch klimaschädigende Handlungen und deren in die Zukunft reichende negative Folgen missachtet werden:

„Passing along the problem of global climate change to future generations as a result of our delay, indecision, or self-interest would be easy. But we simply cannot leave this problem for the children of tomorrow. As stewards of their heritage, we have an obligation to respect their dignity and to pass on their natural inheritance, so that their lives are protected and, if possible, made better than our own.“ 45

Solidarität kann, gemäß Mieth, als der Einsatz oder „Kampf“ für Gerechtigkeit, für Menschenwürde und Menschenrechte verstanden werden 46 . Menschenrechten auf der einen Seite entsprechen Solidaritätspflichten auf der anderen. Solidarität sei damit gleichsam die Verpflichtungsseite der Gerechtigkeit. Zunächst einmal lässt sich an der fraternité des Dritten Standes wie an der Solidarität der Arbeiterbewegung ablesen, dass Solidarität als das „Zusammenstehen um gemeinsamer Ziele willen auf einer gemeinsamen Erfahrung von Ungerechtigkeit und Benachteiligung beruht“ 47 . Diese Solidarität komme „von unten“ und umfasse primär die Betroffenen selbst. Für diese Gestalt der miteinander (und unvermeidlich auch gegen andere Interessen) praktizierten Solidarität führt Mieth den Begriff der „Consolidarität“ ein. Ein Beispiel aus unserem Zusammenhang ist die AOSIS, das 58|59 Bündnis kleiner Insel- und tiefliegender Küstenstaaten (ein Fünftel aller UN-Mitglieder), die sich aufgrund ihrer großen Verwundbarkeit durch den Klimawandel zur Vertretung ihrer Interessen, u. a. im System der Vereinten Nationen, zusammengeschlossen haben 48 .

Da die Betroffenen aber oftmals nicht stark oder mächtig genug sind, ihr Recht eigenständig zu erstreiten, bedarf es in derart ungleichgewichtigen Konstellationen auch der Solidarisierung im Sinne eines anwaltschaftlichen Eintretens von nicht unmittelbar (wohl aber moralisch) Betroffenen, auch von Organisationen, Staaten oder der Völkergemeinschaft, für Menschen, Gruppen oder Staaten, die nicht, noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind, die ihnen vorenthaltene Gerechtigkeit einzufordern oder selbst (wieder )herzustellen. Diese Gestalt bezeichnet Mieth als Prosolidarität 49 . Es ist selbstverständlich, dass es mit den Ungeborenen und kommenden Generationen nur eine solche Solidarität geben kann. Prosolidarität kann zur Consolidarität hinzutreten, kann aber auch allein praktiziert werden. Als thematisch einschlägiges Beispiel kann hier die „klima-allianz deutschland“ angeführt werden, ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von derzeit über 110 deutschen NGOs, das sich für eine deutliche Verringerung der Treibhausgasemissionen einsetzt sowie dafür, dass Deutschland „nach dem Verursacherprinzip für einen Teil der Kosten von Klimaschäden und Anpassungsmaßnahmen in den besonders betroffenen Entwicklungsländern“ aufkommt 50 .

2. Retinität

Die ökologische Krise, so Papst Johannes Paul II., habe zu der „schmerzlichen Erkenntnis geführt, dass wir nicht in einen Bereich des Ökosystems eingreifen können, ohne angemessen auf die Folgen dieser Eingriffe für andere Bereiche zu achten als auch auf das Wohlergehen künftiger Generationen.“ 51 Wir haben es, so der Papst, 59|60 mit „empfindlichen ökologischen Gleichgewichten“ zu tun – innerhalb einer Schöpfungsordnung, die durch wechselseitige Abhängigkeit gekennzeichnet sei 52 . Hinter diesen Überlegungen, die auch auf das ökologische Krisenphänomen Klimawandel zutreffen, steht der für die Nachhaltigkeitsdebatte zentrale Gedanke der Gesamtvernetzung aller Wirklichkeitsbereiche, der auch in der Rede vom „Erdsystem“ zum Ausdruck kommt 53 . Dieser Gedanke entspricht mit Blick auf den Menschen und seine Beziehungen zur Mitwelt dem Begriff der Anthroporelationalität, der ja gerade in Abgrenzung von einer monadenhaften und in ihren Auswirkungen zerstörerischen Anthropozentrik entwickelt worden ist 54 .

Wilhelm Korff hat für diese Gesamtvernetzung den Begriff der „Retinität“ geprägt (von lat. rete, das Netz) 55 . Der Terminus erinnert sehr an die oben skizzierte Auslegung der Solidarität und ihre von Nell-Breuning herausgearbeiteten Aspekte der „Gemeinverstrickung“ und „Gemeinverhaftung“. Auch der Grundsatz der Retinität beschreibt nicht nur einen tatsächlichen Sachverhalt, sondern beinhaltet ebenso sehr einen ethischen „Imperativ“ 56 . Auch hier werden sowohl die Interpendenz als auch die Verantwortung angesprochen. Denn Retinität fordert die (über-)lebensnotwendige Rückbindung aller gesellschaftlichen Prozesse und Zivilisationssysteme – „mitsamt der unerhörten Dynamik ihrer Ökonomien“ 57 – in das sie umgreifende und tragende Netzwerk der Natur und ihrer Regelkreise. Bei aller Ähnlichkeit weist das Retinitätsprinzip aber deutlich über das der Solidarität hinaus. Denn

„der ethische Anspruch, das vielfältige Netzwerk der Natur, das den Menschen hervorgebracht hat und das seine Existenz trägt, zu schützen, bezieht auch die naturalen Bedingungen menschlicher Existenz ein und ist insofern umfassender angelegt als alle spezifisch zwischenmenschlichen Forderungen.“ 58

Dieser Neuansatz sowie der Begriff selbst fanden durch Wilhelm Korff und Markus Vogt Aufnahme in das Umweltgutachten 1994 des „Rates von Sachverständigen für Umweltfragen“ (SRU). Im Begriff der Retinität, so der SRU, sei die ent-60|61scheidende umweltethische Bestimmungsgröße und damit das Kernstück einer umfassenden Umweltethik festgehalten:

„Will der Mensch seine personale Würde als Vernunftwesen im Umgang mit sich selbst und mit anderen wahren, so kann er der darin implizierten Verantwortung für die Natur nur gerecht werden, wenn er die ‚Gesamtvernetzung‘ all seiner zivilisatorischen Tätigkeiten und Erzeugnisse mit dieser ihn tragenden Natur zum Prinzip seines Handelns macht. Das Retinitätsprinzip ist das Schlüsselprinzip der Umweltethik“ 59 ;

oder wie es Korff an anderer Stelle genannt hat: „die normative Bestimmungsgröße für eine anwendungsorientierte Umweltethik“ 60; oder, wie es Markus Vogt ausdrückt: die „ethische Interpretation“ des Nachhaltigkeitsleitbildes 61. Über Vogt gelangte der Gedanke der Retinität – ähnlich wie das zugehörige Sustainability-Leitbild – auch in die beiden zeitgleich erarbeiteten kirchlichen Dokumente „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ 62 sowie „Handeln für die Zukunft der Schöpfung“ 63 und darüber dann auch in den Expertentext der deutschen Bischöfe zum Klimawandel 64. Das Retinitätsprinzip kann inzwischen, zumindest im deutschsprachigen Raum, wie das Nachhaltigkeitsprinzip als fester Bestandteil der Kriteriologie kirchlicher Sozialverkündigung und christlicher Ethik angesehen werden. Ein wichtiges Beispiel für den unmittelbaren Anwendungsbezug ist die durch den Klimawandel bedrohte Artenvielfalt. Dazu Korff: „Die Erhaltung größtmöglicher Biodiversität erweist sich […] als eine wesentliche, dem Retinitätsprinzip unmittelbar inhärente Forderung.“ 65 So, wie Solidarität als Einsatz oder (gewaltfreier) Kampf für soziale, d. h. sowohl globale wie intergenerationelle Gerechtigkeit verstanden wird, so kann Retinität als Engagement für ökologische Gerechtigkeit interpretiert werden. 61|62

Die folgende Tabelle fasst die dargestellten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Solidaritäts- und dem Retinitätsprinzip zusammen:

 

Solidarität

Retinität

Begriffs­verwen­dung

Bezie­hungen zwischen Menschen­(gruppen) sowie Staaten­(gruppen)

Bezie­hungen zwischen Menschen und außer­huma­ner Natur

Seins­prin­zip /
Interdepen­denz

„Gemein­verstri­ckung“

Gesamt­vernet­zung
• aller Wirk­lich­keits­berei­che sowie
• der öko­no­mischen, öko­lo­gi­schen und sozia­len Hand­lungs­fel­der

Sollens­prinzip /
Verant­wortung

„Gemein­verhaf­tung“

„Gefordert ist die Rück­bin­dung der mensch­lichen Kultur­welt – mitsamt der Dy­na­mik der sie bestim­men­den Wirt­schaft – in das sie tragende Netz­werk der ökolo­gischen Regel­kreise.“ 66

Gerech­tigkeits­bezug

Einsatz für soziale Gerech­tigkeit
• global
• inter­genera­tionell

Einsatz für ökolo­gi­sche Gerech­tigkeit

Pro- / Con-

Pro- und Con­solida­rität

nur „Pro­retini­tät“

3. Gründe für eine moralische Pflicht zur Solidarität und Retinität

Die bloße Tatsache der Interdependenz (Sein) kann für sich genommen nicht schon Verantwortung (Sollen) begründen. Wie u. a. die Geschichte des Kolonialismus zeigt, gibt es auch gefährliche oder gar zerstörerische Abhängigkeiten. Darum müssen Solidarität und Retinität so fundiert werden, dass ein naturalistischer Fehlschluss von einem Sein auf ein Sollen vermieden wird.

a) Die Würde des Menschen und der Eigenwert der außerhumanen Natur

Universale, also geografisch und temporal entgrenzte Solidarität und Retinität als normative Prinzipien schweben nicht im luftleeren Raum, sondern basieren ihrerseits auf starken normativen Setzungen, nämlich zum einen auf der Idee der gleichen, unantastbaren Würde aller Menschen, auch der zukünftigen, sowie zum ande-62|63ren auf dem (vom Nutzen für den Menschen unabhängigen) Eigenwert der außerhumanen Natur.

Wenn nach dieser Vorstellung, die u. a. von unserer Verfassung, den Vereinten Nationen und den Weltreligionen geteilt wird, alle Wesen einschließlich der ökosystemischen Zusammenhänge wertvoll sind, sind die individuellen und kollektiven Subjekte, einschließlich der Staaten und supranationalen Akteure, dazu verpflichtet, ihnen mit entsprechender Wert-Schätzung zu begegnen. Diese Achtung vor dem Wert der anderen ist eine geschuldete. Denn wenn etwas als ein Wert und damit als gut charakterisiert wird, dann bedeutet dies schon rein logisch (aufgrund des gerundivischen Charakters des Wertungswortes „gut“), dass es sein soll 67 , dass es in seiner Existenz nicht gefährdet, ja nicht einmal in seiner Integrität beschädigt, vielmehr erhalten und gefördert werden soll.

b) Goldene Regel, Liebesgebot und Kategorischer Imperativ
Menschheitsweite Geltung

Dass und wie andere zu achten sind, zeigen die Goldene Regel, das Liebesgebot und der Kategorische Imperativ, allesamt Grundregeln (wechselseitiger) Achtung, die das eine Moralprinzip (einer humanistisch- bzw. christlich-menschenrechtlichen Ethik) in verschiedenen sprachlichen Fassungen zum Ausdruck bringen. In einer autonomen Moral sind sie dann verbindlich, wenn ihre Befolgung von einem neutralen Beobachtungspunkt als lebensdienlich wie leidverhindernd und darum vernünftig erscheint und sie insofern verallgemeinerbar sind. Auch wenn sie aus unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten stammen und inhaltliche Nuancen aufweisen, so zielen doch alle drei auf den Respekt vor dem Wert der Person – der eigenen wie der der anderen, wobei es keinen Grund gibt, den eigenen Wert höher (oder geringer) einzuschätzen. Grundlage ist also nicht die Gleichheit hinsichtlich dieser oder jener Eigenschaft, sondern die Gleichwertigkeit, d. h. der gleiche Wert aller Lebewesen, die von menschlichen Eltern abstammen bzw. die ein menschliches Genom aufweisen.

Nach der Goldenen Regel – „Behandle die anderen so, wie du von ihnen behandelt werden wolltest, befändest du dich in ihrer Lage!“ 68 – sind alle, auch kollektive Akteure zum Tun des Guten bzw. zur Fürsorge (beneficence), zumindest aber zur Unterlassung des Bösen resp. zur Schadensvermeidung (nonmaleficence) verpflichtet. So heißt es in der Rio-Deklaration: „Die Staaten haben […] die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass Tätigkeiten unter ihrer Hoheitsgewalt oder Kontrolle der Umwelt anderer Staaten oder Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt kei-63|64nen Schaden zufügen.“ 69 So wie man selbst will, „dass die eigenen Bedürfnisse und Interessen von anderen in Rechnung gestellt werden“, so hat man auch die – sozial- und umweltverträglichen – „Bedürfnisse und Interessen der anderen zu berücksichtigen“ 70 . Kann das Gegenüber diese nicht oder nur unzureichend artikulieren, so hat man sich mit Hilfe der Vorstellungskraft „in die Situation aller von der Entscheidung Betroffenen zu versetzen“ 71 und dann in einer fairen Güterabwägung zu entscheiden. Dies ist eine interkulturell geteilte Auffassung, die in vielen Religionen zur ethischen Grundlage zählt 72. Werde die Goldene Regel „begründet in der gleichen Menschenwürde, als in einem der sittlichen Entscheidung des Menschen vorgegebenen unbedingten Wert“, so habe sie „kategorischen Charakter“ 73 .

Das häufig falsch interpretierte Gebot der Nächstenliebe aus Levitikus 19,18 erschließt sich, wenn man es nahe am hebräischen Urtext übersetzt: „Du sollst deinem [sic!] Nächsten / deinem Mitmenschen / dem Anderen lieben; er ist wie du.“ Da nach Levitikus 19,34 auch der Fremde und nach Matthäus 5,44 74 selbst der mir feindlich Gesonnene zu „lieben“ ist, ist offensichtlich, dass hier nicht lediglich die mir Nahestehenden gemeint sein können. Vor 100 Jahren, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, machte sich Leo Baeck für die menschheitsweite Auslegung der biblischen Weisung stark: „Wer immer ein anderer ist, mag er fern oder fremd oder auch feindlich zu mir stehen, er gehört zu mir, als Wesen von meinem Wesen, mit mir von Gottes wegen verbunden. […] ‚Liebe deinen Nächsten, er ist wie du.‘ Auf diesem ‚wie du‘ [hebr. kamoka, A. L.] liegt der ganze Nachdruck. Darin ist jene Einheit alles Menschlichen ausgesprochen“ 75 . Der Dativ „deinem Nächsten“ deutet an, was mit dem Verb „lieben“ gemeint ist. Es geht nicht um ein Mögen, sondern darum, allen mit Wohlwollen und denen, die dessen bedürfen, entsprechend den jeweiligen eigenen Möglichkeiten, mit Wohltun, also mit Taten der Liebe zu begegnen 76 . Das wiederum heißt biblisch, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten: „Das Recht 64|65 ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“ 77 Auch der Grund wird genannt: Ich soll den anderen gegenüber so handeln, weil wir einander gleich sind, theologisch gesprochen: als lebendige Bilder bzw. Statuen Gottes 78. Denn jeder Mensch besitzt diese gottgegebene und deshalb unantastbare Würde: Gott habe den Menschen „nur wenig geringer gemacht als ein Gottwesen […] ihn mit Würde (hebr. kabôd) und Pracht gekrönt.“ 79 Deshalb schulden sich alle wechselseitig (Menschen )Recht und Gerechtigkeit 80.

Von den verschiedenen Fassungen des von Immanuel Kant konzipierten Kategorischen Imperativs soll hier die bekannte Menschenwürdeformel betrachtet werden: „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ 81 Diese Formulierung beinhaltet, dass ich mich und andere – mit deren Einverständnis – als Mittel einsetzen bzw. nutzen darf, aber ich darf weder mich noch andere nur als ein solches Mittel betrachten. Vielmehr muss stets präsent sein, dass alle Menschen „Zweck an sich“ sind, das heißt einen zu achtenden und zu schützenden Wert innehaben: Der Mensch, so Kant, besitzt „eine unverlierbare Würde (dignitas interna)“, der mit „Achtung (reverentia)“ zu begegnen ist 82 . Kant unterstreicht darüber hinaus, dass nicht nur der Imperativ der Achtung der Menschenwürde, sondern auch „die Achtung fürs Recht der Menschen“ unbedingte Pflicht sei 83 .

Intergenerationelle Geltung

Alle drei beleuchteten Fassungen des (auf Respekt basierenden) Moralprinzips gelten kategorisch, also in räumlicher und zeitlicher Hinsicht universal. Das heißt, dass sie nicht nur global, sondern auch intergenerationell zu beachten sind. Für die Goldene Regel wird dies durch die Definition nachhaltiger Entwicklung im Brundtland-Bericht deutlich: „Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of 65|66 future generations to meet their own needs.“ 84 Wichtig ist dabei, dass der Bericht der World Commission on Environment and Development unter „needs“ nicht alle möglichen Bedürfnisse versteht, sondern „in particular the essential needs of the world’s poor, to which overriding priority should be given“ 85 .

Für das Liebesgebot ist bedeutsam, dass die Menschenwürde, also der gleiche Wert jedes Menschen als Grund der Liebe, nicht nur den ersten Menschen verliehen wurde, sondern nach biblischer Vorstellung von Generation zu Generation, und zwar ohne Vorbedingungen, „weitervererbt“ wird 86 . Das heißt, sie kommt auch allen künftigen Menschen zu, die folglich einen gleichen Anspruch auf Recht und Gerechtigkeit besitzen werden, der aufgrund der zeitlichen Reichweite heutiger menschlicher Handlungen in die Zukunft hinein schon jetzt zu beachten ist.

Den Kategorischen Imperativ hat u. a. Hans Jonas auf das Verhältnis der jetzigen zu den kommenden Generationen übertragen:

„‚Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden‘; oder negativ ausgedrückt: ‚Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens‘; oder einfach: ‚Gefährde nicht die Bedingungen für den indefinitiven Fortbestand der Menschheit auf Erden‘; oder, wieder positiv gewendet: ‚Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein'“! 87

Interspezielle Geltung

Die drei Metanormen gelten aber auch interspeziell, d. h. für das Verhalten unserer Gattung gegenüber der außerhumanen Natur. Für die Goldene Regel sei hier auf die Quintessenz von Äsops Fabel „Knaben und Frösche“ verwiesen: „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.“ 88 Auch die regula aurea des Jainismus weist in diese Richtung: „Man sollte alle Lebewesen so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.“ 89 Eine moderne Fassung, die ähnlich wie Äsop auf die Fähigkeit zur Empathie setzt, bietet Christine Stevens an: „The basis of all animal rights should be the Golden Rule: we should treat them as we would wish them to treat us, were any other species in our dominant position.“ 90 Nach Albert Schweitzer sollen die Menschen allen Kreaturen, „soweit wir es nur immer 66|67 können, Hilfe bringen und Leiden ersparen“ 91 , was dem in der Goldenen Regel enthaltenen Fürsorge- und Nichtschadensprinzip entspricht.

Derselbe Albert Schweitzer hat – in einem nach seinem Dafürhalten revolutionären Akt 92 – den Adressatenkreis des Liebesgebots über die Menschheit hinaus auf alle Geschöpfe ausgeweitet: „Jeder unbefangen denkende Mensch kann nicht anders als die Liebe nicht nur den Menschen, sondern auch der Kreatur gegenüber zu betätigen.“ 93 In den Geschöpfen zeigt sich für Christinnen und Christen seit Augustinus und Bonaventura die Spur Gottes. Mit den sog. Billigungsformeln bringt die erste, jüngere Schöpfungserzählung der Genesis mehrfach und deutlich zum Ausdruck, dass Gott alle seine Werke für „gut“ und das komplexe Ganze des austarierten Systems der Schöpfung sogar für „sehr gut“ 94 befindet. Hier greift der Satz: bonum est amandum, das Gute ist zu lieben. Hinzu kommt, dass der Gott der Bibel ein „Liebhaber des Lebens“ 95 ist und dass der Mensch ihn im Sinne der Imitatio Dei auch in dieser Hinsicht nachahmen soll 96 .

Jürgen Werbick unterstreicht, dass die Gutheit der Schöpfung nur gewahrt werde, wenn der Mensch seine Autonomie an der Schöpferintention ausrichte und „das ihm als Mitgeschöpf in Obhut Gegebene niemals nur als Mittel zum selbstgesetzten Zweck betrachtet.“ 97 Damit erweitert er den Anwendungsbereich des Kategorischen Imperativs auf die außerhumane Natur. Seit dem „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro (1992) ist diese Überzeugung auch auf der Ebene der Völkergemeinschaft verankert. So unterstreichen die Vertragsparteien des „Übereinkommens über die Biologische Vielfalt“ gleich im ersten Satz der Präambel, dass sie sich „des Eigenwerts [intrinsic value] der biologischen Vielfalt sowie des Wertes der biologischen Vielfalt und ihrer Bestandteile“ gewahr sind und dass sie die Konvention als Ganze in diesem Bewusstsein verabschieden 98 .

Solidarität und Retinität – global, intergenerationell und interspeziell – haben als normative Maßstäbe somit ein solides ethisches Fundament. Was aber folgt aus ihnen konkret in Zeiten des Klimawandels? 67|68

III. Pragmatik: Schutz des Klimas und Schutz vor dem Klima

Papst Johannes Paul II. hatte schon 1987, fünf Jahre vor der Unterzeichnung der Klimakonvention, die These aufgestellt, dass das Klima ein Gut sei, das geschützt werden müsse, weshalb die Konsumentinnen und Konsumenten sowie die Unternehmen ein stärkeres Verantwortungsgefühl entwickeln müssten 99 . Zwölf Jahre später wurde er noch deutlicher, als er die „Zerstörung der Natur“ und vor allem die unkontrollierte Freisetzung von gefährlichen Gasen 100 sowie die Vernichtung der Regenwälder, die Hauptursachen des Klimawandels, als „soziale Sünde“ anprangerte, die zum Himmel schreie 101 . Auch für seinen Nachfolger, Papst Benedikt XVI., steht außer Frage, dass der Schutz der Umwelt, die Förderung nachhaltiger Entwicklung und die besondere Aufmerksamkeit für den Klimawandel Angelegenheiten von größter Bedeutung für die ganze Menschheitsfamilie darstellen 102 . Insbesondere da, wo die Menschenwürde missachtet und die Schöpfung gefährdet werde, habe die Kirche ein politisches Mandat wahrzunehmen, denn sie „trägt Verantwortung für die Schöpfung und ist sich bewußt, daß sie diese auch auf politischer Ebene ausüben muß, um die Erde, das Wasser und die Luft“, zugleich Hauptbestandteile des Klimasystems, „als Gaben Gottes, des Schöpfers, für alle zu bewahren“ 103. Papst Franziskus, der schon mit seiner programmatischen Namenswahl den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung auf die Agenda seines Pontifikats setzte, schließt an seine Vorgänger an, wenn er in seiner Rede vor der FAO am 20. Juni 2013 hervorhebt, dass die Lage der Welt nicht nur aufgrund der Wirtschaftskrise sehr schwierig sei, „sondern auch aufgrund von Problemen, die mit der Sicherheit zu tun haben, mit der großen Zahl andauernder Kriege, mit dem Klimawandel und der Bewahrung biologischer Vielfalt. All das sind Umstände, die […] neues Engagement erfordern“ 104. 68|69

Deshalb, so die Deutsche Bischofskonferenz, müsse auf weltpolitischer Ebene, aber auch im eigenen kirchlichen Handeln, mit größeren Anstrengungen als bisher versucht werden, den Klimawandel zu bremsen (mitigation) und seine negativen Auswirkungen durch Anpassungsmaßnahmen abzufedern (adaptation) 105 . Dies ist „keine Frage des Mitleids, sondern eine Frage der Gerechtigkeit“, die den Opfern und den nachrückenden Generationen gemäß dem Verursacherprinzip geschuldet ist 106 !

Der WBGU hat mehrere planetarische Leitplanken bzw. Limits der Nachhaltigkeit aufgestellt, die die Spur weisen, in der sich alles politische und ökonomische Handeln bewegen muss, wenn man einen gefährlichen Klimawandel noch verhindern will: 1. Der Temperaturanstieg gegenüber vorindustriellem Niveau sollte 2 °C 107 , besser: 1,5 °C, nicht überschreiten. 2. Der Anstieg des Meeresspiegels sollte insgesamt nicht mehr als 100 cm und zudem nicht mehr als 5 cm pro Dekade betragen, damit sich die Betroffenen noch anpassen können 108 . 3. Bis zur Mitte des Jahrhunderts dürften allerhöchstens noch 750 Mrd. Tonnen CO2 emittiert werden. Nur dann könnte – mit einer Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit – der Temperaturanstieg unter 2 °C bleiben. Will man eine Wahrscheinlichkeit von 75 Prozent, so dürften maximal noch 600 Mrd. Tonnen CO2 ausgestoßen werden 109 . 4. Die Emissionen pro Person und Jahr sollten im Jahr 2050 höchstens 1 t betragen 110 . Das heißt für Deutschland, dass der Pro-Kopf-Ausstoß von derzeit annähernd zwölf Tonnen um über 90 Prozent gesenkt werden muss. Zum Vergleich: Die Bewohner/-innen Tuvalus liegen bei weniger als einer halben Tonne.

Beim Klimaschutz gibt es nicht die eine Problemlösung, vielmehr muss eine Fülle von (geeigneten, erforderlichen und angemessenen) technischen und politischen Instrumenten ausgeschöpft werden. Gefragt sind ein Instrumentenmix sowie 69|70 entsprechende Anstrengungen auf allen Ebenen: von der Staatengemeinschaft bis hin zu Privathaushalten 111 .

1. Minderung – das Unbeherrschbare vermeiden

Das IPCC definiert Minderung, engl. mitigation, als eine Intervention, die der Mensch vornimmt, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren oder um deren Senken zu verbessern 112 . Zu den technischen Instrumenten, die helfen können, einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, gehören an erster Stelle das Energiesparen und der Abbau von Ressourcen- und Energieverschwendung sowie die Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz. Diese Werkzeuge reduzieren den Verbrauch und damit die Emissionen und sorgen zudem für die Schonung nicht erneuerbarer Rohstoffe und jener Gebiete, deren Lagerstätten unangetastet bleiben. Darüber hinaus senken entsprechende Maßnahmen die laufenden Kosten von Unternehmen, Organisationen sowie von privaten und öffentlichen Haushalten.

Zur Minderungsstrategie gehört des Weiteren der Umbau der Energiewirtschaft von fossilen hin zu erneuerbaren Energien, wobei – wegen der unvertretbaren Risiken der Kernenergie, aber auch der CO2-Speicherung in unterirdischen Deponien 113 – als Brückentechnologien allenfalls die kohlenstoffarmen, hocheffizienten Kraftwärmekopplungsanlagen sowie Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke in Frage kommen. Weiterhin gehören dazu die Verbesserung der Speichertechniken wie der sozial- und umweltverträgliche Ausbau verlustarmer Netze. Auch der Stopp der Waldvernichtung, Programme zur Aufforstung, die Umstellung auf eine nachhaltige Forstwirtschaft sowie nicht zuletzt der vollständige ökologische Umbau der Landwirtschaft zählen zu den technischen Instrumenten, die dabei helfen können, dem gefährlichen anthropogenen Klimawandel Einhalt zu gebieten.

Zu den politischen Maßnahmen gehören die (oben genannte) vertragliche Festlegung eines Budgets, also einer Obergrenze der global noch vertretbaren Treibhausgasemissionen (max. 750 bzw. besser max. 600 Mrd. Tonnen CO2 bis 2050) sowie differenzierte, verbindliche, sanktionsbewehrte, terminierte und ambitionierte Reduktionsziele. Der Peak, d. h. die Spitze des Treibhausgasausstoßes, sollte so bald wie möglich, spätestens aber im Jahr 2015 erreicht werden. Danach müssen die Emissionen kontinuierlich gegen Null sinken. Stellt man in Rechnung, dass der glo-70|71bale Ausstoß im Jahr 2010 bei 34,6 Mrd. Tonnen CO2 lag, wäre das Budget bei business as usual (ausgehend vom Basisjahr 2010) bereits nach 22 bzw. 17 Jahren aufgebraucht, d. h. 2032 bzw. 2027. Danach dürfte die Menschheit dann keine Treibhausgase mehr emittieren.

Abbildung 4: Beispiele für globale Emissionspfade, bei denen im Zeitraum 2010-2050 jeweils 750 Mrd. Tonnen CO2 emittiert werden (die Flächen unter allen drei Kurven sind gleich) 114

Den hellgrauen Pfad in Abbildung 4 hat die Menschheit bereits verpasst. Der schwarze würde ein Ende der Emissionen um das Jahr 2040 mit sich bringen, vor allem aber Jahr für Jahr eine Minderung um neun Prozent erfordern, was schier unmöglich erscheint. Realistisch ist also allein die dunkelgraue Kurve. Gemäß dieser müsste bis zum Jahr 2047 eine klimaneutrale Welt geschaffen werden und dazu der Ausstoß jährlich um 5,3 Prozent gesenkt werden, was angesichts der nach wie vor steigenden Emissionen ebenfalls eine hoch anspruchsvolle, jedoch nicht unlösbare Aufgabe darstellt. Aber selbst dann, wenn das Ziel verfehlt wird, die globale Erwärmung unter 2 °C bzw. 1,5 °C zu halten, ist jedes Zehntel Grad Temperaturanstieg, das vermieden wird, aktiver Schutz von Menschenrechten und ein Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Es gibt also keinen Grund, angesichts der Größe der Aufgabe zu resignieren oder von weiteren Klima- und Waldschutzanstrengungen abzulassen.

Zu den politischen Mechanismen gehören weiterhin Energie- bzw. Klimasteuern im Rahmen einer ökologischen Steuer- und Finanzreform, die diesen Namen verdient. Deutschland ist bislang nicht über eine „Light-Version“ hinausgekommen, die zudem noch eine Reihe fragwürdiger Ausnahmen enthält, die nicht nur die im 71|72 internationalen Wettbewerb stehenden energieintensiven Unternehmen begünstigen. Die negativen externen Effekte wirt-schaftlichen Handelns müssen aus Gründen der Gerechtigkeit möglichst vollständig internalisiert werden. Das bedeutet, dass die Preise die „ökologische Wahrheit“ sagen müssen 115 , wodurch klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen teurer und klimafreundliche im Verhältnis dazu günstiger werden.

„Those who produce greenhouse-gas emissions are bringing about climate change, thereby imposing costs on the world and on future generations, but they do not face directly, neither via markets nor in other ways, the full consequences of the costs of their actions.“ 116

Dies kann und muss dadurch geändert werden, dass die nachteiligen Drittwirkungen klima- und umweltschädigenden Handelns, etwa des Verbrennens fossiler Energieträger oder der Vernichtung von Wald, über Steuern oder Abgaben in die Kosten der Wirtschaftssubjekte, Unternehmen wie Haushalte, einbezogen werden. Umweltfreundliches Handeln bzw. der Faktor Arbeit kann dafür im Gegenzug entlastet werden; unbillige Härten können und sollen durch entsprechende Anhebung der Sozialtransfers vermieden werden.

Auch der Aufbau eines globalen, wirksamen Emissionshandelssystems nach dem Muster cap and trade, mit stetiger und hinreichender Verknappung der zu versteigernden Emissionslizenzen, die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, die Förderung von Forschung und Technologietransfer, eine Bevölkerungspolitik ohne Zwang (auf der Basis von Bildung und Armutsbekämpfung) sowie – last but not least – lebensbegleitende Umwelterziehung und -bildung sind ebenfalls viel versprechende Schritte, um den Klimawandel einzudämmen.

2. Anpassung – das Unvermeidbare beherrschen

Die Tatsache, dass es nicht nur einen Schutz des Klimas, sondern auch einen Schutz vor dem (anthropogen gestörten) Klima braucht, wurde spätestens in Rio erkannt und in das Völkerrecht integriert. Minderung und Anpassung gehören seitdem zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille. So verpflichten sich die Vertragsstaaten der Klimakonvention, Programme zu erarbeiten und umzusetzen, in denen nicht nur Anstrengungen zum Klimaschutz, sondern auch „Maßnahmen zur Erleichterung einer angemessenen Anpassung an die Klimaänderungen vorgesehen sind“ 117 . Anpassung, engl. adaptation, definiert das IPCC als den Prozess der Angleichung an das gegenwärtige oder zu erwartende Klima und dessen Auswirkungen 118. 72|73

Führt man sich vor Augen, dass – wie der Stern Review klargestellt hat – „die Vermeidung weiterer Emissionen die beste und preiswerteste Anpassungsstrategie“ darstellt 119 , dann sind die Prioritäten klar gesetzt. Dennoch muss man sich mit adaptation im engeren Sinne beschäftigen, allein schon wegen des unbestreitbaren Faktums des unvermeidlichen Klimawandels. Selbst durch strikteste Minderungsmaßnahmen ließen sich, so das IPCC, weitere Auswirkungen der Klimaänderung in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr vermeiden. „Deshalb sind Anpassungsmaßnahmen – vor allem zur Bewältigung kurzfristiger Folgen – unerlässlich.“ 120

Minderung und Anpassung stehen also für zwei sich ergänzende, nicht alternative Maßnahmenbündel. Die Position „Anpassung statt Vermeidung“ baut somit eine Scheinalternative auf. In Wahrheit ist beides unerlässlich: „Erhebliche Anpassung an den Klimawandel wird auch bei einer Erwärmung um global ’nur‘ 2 °C notwendig sein.“ Und ohne Begrenzung des Temperaturanstiegs „auf 2 °C wäre eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel kaum möglich.“ 121

Beispiele für adaptation sind der Schutz vor Überflutungen und Überschwemmungen, etwa durch Küsten- und Uferschutz, der Aufbau von Frühwarnsystemen, landwirtschaftliche Anpassung vor allem an höhere Temperaturen und ausbleibende Niederschläge, ein hinreichend und nach dem Verursacherprinzip ausgestatteter Finanzierungsfonds für Anpassungsprogramme vor allem der ärmsten und verwundbarsten Länder, die Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit, Mikrokreditsysteme für die Armen, die völkerrechtliche Anerkennung und Integration von Klimaflüchtlingen sowie der Ausbau des Katastrophenschutzes. Insgesamt zielen alle diese Maßnahmen auf eine Senkung der Vulnerabilität bzw. eine Stärkung der Resilienz von Lebewesen, Ökosystemen und Staaten.

3. Mitigation und Adaptation als ethische Verpflichtungen

William Joseph Brennan, langjähriger Richter am US Supreme Court, bringt die Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und politischer Praxis mit ei-73|74nem paradox anmutenden Satz treffend auf den Punkt: „Nichthandeln kann ebensolcher Machtmissbrauch sein wie Handeln.“ 122 Angewandt auf den menschengemachten Klimawandel bedeutet dies: Wer über das Wissen, die Fähigkeit und die Macht verfügt, das Problem anzugehen, es aber dennoch unterlässt, tätig zu werden, der missbraucht seine Macht. So betont auch Mary Robinson: „Those with the power to prevent these changes also have a responsibility to recognise the potential impact of failure on the human rights of millions of vulnerable people.“ 123

Dies gilt umso mehr, wenn man die zentrale Erkenntnis des Stern Review berücksichtigt, dass mit relativ geringen Kosten, die sich bis zum Jahr 2050 sehr wahrscheinlich auf etwa ein Prozent des jährlich erwirtschafteten globalen Bruttoinlandsprodukts belaufen werden, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden könnten und Nichthandeln mit einem weltweiten Wohlfahrtsverlust in Höhe von fünf bis zwanzig Prozent Konsumeinbuße pro Person einherginge 124 , ganz abgesehen von dem vermeidbaren, zum Teil irreversiblen Schaden und dem Leid, die aus der Sicht einer Ethik der Nachhaltigkeit nicht hinnehmbar sind. Es wäre also nicht nur ökonomisch unvernünftig, sondern auch unverantwortlich, die Dringlichkeit der Agenda zu ignorieren. Denn:

„[…] significant delays in addressing climate change may compound the problem and make future remedies more difficult, painful, and costly. On the other hand, the impact of prudent actions today can potentially improve the situation over time, avoiding more sweeping action in the future.“ 125 Werden diese Chancen vertan, so werden vor allem die Armen, die nachrückenden Generationen und die außermenschliche Natur die Leidtragenden sein: „Inaction and inadequate or misguided responses to climate change will likely place even greater burdens on already desperately poor peoples.“ 126

Ähnlich wie Stern, ähnlich auch wie die Katholischen Bischöfe der USA und Deutschlands betont Jim Yong Kim, der Präsident der Weltbank-Gruppe, in seinem Vorwort zu deren Bericht „Turn down the heat“: „Ambitious action on climate change […] is a moral imperative“, but it makes also „good economic sense“ 127 . Oder mit den Worten von Mary Robinson: „[…] beyond the economic imperative there is the ethical imperative to move in this direction.“ 128 74|75

Nicht zuletzt

Der gegenwärtige Klimawandel, der gefährliche Ausmaße anzunehmen beginnt, ist keine Naturkatastrophe, kein unabwendbares Schicksal, sondern menschengemacht und als solcher eine massive Ungerechtigkeit, die bestehendes Unrecht noch verschärft. In Mitleidenschaft gezogen werden vor allem diejenigen Personen, Gebiete und Staaten sowie Tiere, Pflanzen und Ökosysteme, die leicht verwundbar und wenig widerstandsfähig sind. Auf dem Spiel stehen „das Überleben unserer Zivilisation und die Bewohnbarkeit der Erde“ 129 .

Wie deutlich wurde, ist der anthropogene Klimawandel nicht nur eine technische, ökonomische und politische, sondern auch eine moralische und spirituelle Herausforderung. Die globale Erwärmung und ihre Folgen stellen Verstöße gegen grundlegende humane und christliche Prinzipien dar: gegen die Pflicht zur Achtung der Würde und des Wertes der anderen, gegen die globale, intergenerationelle und ökologische Gerechtigkeit sowie gegen grundlegende Menschenrechte jetzt lebender und künftiger Generationen. Ein zentrales Gerechtigkeitsproblem ist dabei die Nichtidentität von Hauptverursachern und Hauptleidtragenden.

Die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus haben das äußerst ernste Problem mehrfach benannt und alle handlungsfähigen Akteure nachdrücklich zu einem stärkeren Engagement für den Klimaschutz aufgefordert. Aus Solidarität mit den gegenwärtigen und künftigen Opfern sowie aus Gründen der Retinität muss mit deutlich größeren Anstrengungen als bisher versucht werden, den Klimawandel zu bremsen (mitigation) und seine negativen Auswirkungen durch Anpassungsmaßnahmen abzufedern (adaptation). Ethisch gefordert sind darüber hinaus die Unterstützung der Armen bei der Anpassung und die Entschädigung der Hauptleidtragenden durch die Hauptverursacher. Dies alles ist keine Frage des Mitleids, sondern eine Frage der Gerechtigkeit!

Wir sind die letzte Generation, die einen gefährlichen Klimawandel verhindern kann – aber nur, wenn wir schnell und entschieden gegensteuern. Wir haben das Wissen. Wir haben die finanziellen und technischen Mittel. Laut Mary Robinson mangelt es nur an einem: „At the global level it is obviously ethical, rational and feasible to take action now. The technology exists – what we lack is the political commitment to act.“ 130 Was allein fehlt, ist also der politische Wille. Aber dieser ist, wie Al Gore unterstreicht, glücklicherweise eine erneuerbare Ressource. „Let’s renew it!“ 131 75|76

Summary

Because of its severe negative impact on human-beings, animals, plants and the whole ecosystem, the dangerous anthropogenic climate change is one of the biggest problems of our century and a moral challenge as well as a spiritual one. It is extremely likely that human influence is the dominant cause of global warming. A Christian ethics of sustainability as an analytical, normative science of action relies upon three instruments: firstly exact perception of the natural and social reality, in the second place a thorough assessment, and thirdly knowledge about good and right action. This text is structured accordingly and illuminates the symptoms, causes and effects of climate change upon the creation. Then it explicates the central ethical criteria of solidarity and retinity. Finally, conclusions are drawn and practical consequences are shown.

An ambitious but necessary goal is to keep the average temperature increase below 1.5°C. A special problem is caused by positive feedback climate processes: Effects of the current climate change can become causes themselves and thereby escalate the dangerous phenomenon immensely. One example is the ice-albedo feedback. Such self-reinforcing tendencies can even function as partly irreversible so-called „tipping points“.

There is a nearly inverse proportion („climate divide“) between polluters (especially highly industrialised countries) and victims of climate change (very often poor inhabitants of highly vulnerable regions). Similar disproportions exist between the present generation and future generations and between human and non-human creatures. Moral and Christian duties encompass solidarity (between human-beings) and retinity (of human-beings towards non-human creatures). Solidarity is a non-violent struggle for social justice, global and intergenerational, including the past and the future. Two dimensions can be differentiated: interdependence (everything is intertwined) and responsibility (one for all and all for one). The crucial principle of retinity is an ethical imperative which goes much further. It describes the interconnectedness of humankind and the whole creation and is a commitment towards ecological justice.

Human-beings are the living statues of God and His representatives on earth. As God is not only a friend but even a lover of life, in this spirit, man shall imitate Him. There are three versions of the moral principle, based on (mutual) respect, which are to be applied: the golden rule (containing beneficence and nonmaleficence), the biblical command of love, and the categorical imperative (defined by Immanuel Kant). Inaction can be as abusive of power as action. Consequently, churches have to execute also a political mandate. Measures to stop global warming are not a matter of compassion but of justice. Global warming and its effects are violations of fundamental humane and Christian tenets. At stake are the survival of our civilisation and the inhabitability of our planet. Mitigation and adaptation to changing climatic and environmental conditions are two complementary strategies, both being important. Technical and political instruments must be suitable, neces-76|77sary, and adequate. There are many possibilities of protection of the climate itself and against the adverse effects of its change. The only thing lacking is political will. But this is, according to Al Gore, a renewable resource – fortunately.


Zitiervorschlag: Lienkamp, Andreas: Solidarität und Retinität in Zeiten des Klimawandels – Überlegungen aus der Perspektive einer Ethik der Nachhaltigkeit, in: Jahrbuch für Recht und Ethik – Annual Review of Law and Ethics, hrsg. von Joachim Hruschka und Jan C. Joerden, 22 (2014) 45-77, Online-Fassung, abrufbar unter: https://www.lienkamp-berlin.de/solidaritaet-retinitaet-klimawandel.

Hinweise: Bei dem oben stehenden Text handelt es sich um die Originalfassung. Die Seitenangaben im Text (z. B. 6|7) zeigen die Seitenwechsel der Druckfassung an.


Anmerkungen

1 Der Autor dankt Frau Dr. Birgit Hegewald, Postdoc am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück, für die Durchsicht des Manuskripts sowie für inhaltliche Anregungen.

2 Diesen Ansatz habe ich in meiner Habilitationsschrift ausführlich begründet und entfaltet: Lienkamp, Andreas, Klimawandel und Gerechtigkeit. Eine Ethik der Nachhaltigkeit in christlicher Perspektive, Paderborn/München/Wien/Zürich: Schöningh, 2009.

3 Intergovernmental Panel on Climate Change, „Summary for Policymakers“, in: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge, U.K./New York: Cambridge University Press 2013, S. 1-29, hier S. 17.

4 IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 4 Anm. 2. Darüber liegt nur noch „virtually certain“, „so gut wie sicher“, mit 99 bis 100 Prozent Wahrscheinlichkeit.

5 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Klimakonvention), in: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro – Dokumente. Klimakonvention, Konvention über die Biologische Vielfalt, Rio-Deklaration, Walderklärung, hrsg. vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn: BMU, 1992, S. 3-19, hier Art. 2.

6 United Nations Framework Convention on Climate Change / Conference of the Parties, Decision 1/CP.16 (FCCC/CP/2010/7/Add.1), 2011, Nr. 4. – Link.

7 Vgl. Alliance of Small Island States, SIDS climate change dilemma: keeping average temperature increase below 1.5°C to stay alive. – Link.

8 IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 5.

9 IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 19.

10 Intergovernmental Panel on Climate Change, „Summary for Policymakers“, in: Climate Change 2014: Impacts, Adaptation, and Vulnerability. Part A: Global and Sectoral Aspects. Contribution of Working Group II to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge, U.K. / New York: Cambridge University Press 2014, S. 1-32, hier S. 13.

11 Beim Vergleich mit den Daten im AR4 muss zu den Temperaturangaben des AR5 jeweils 0,61 °C addiert werden (also: 4,8 °C + 0,61 °C = 5,41 °C). Vgl. IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 17f, und Treber, Manfred / Kreft, Sönke, Weltklimarat IPCC veröffentlicht den ersten Teil seines Fünften Sachstandsberichts: Klimawandel menschengemacht, Handlungsdruck steigt – Wissenschaftler stellen insbesondere die Verwundbarkeit der Ozeane heraus. Zusammenfassung und Bewertung, in: KlimaKompakt Spezial, hrsg. von Germanwatch, Nr. 55 vom 31.10.2013, S. 1-12, hier S. 4 und 8.

12 Rahmstorf, Stefan / Schellnhuber, Hans Joachim, Der Klimawandel. Diagnose, Prognose, Therapie, 7. vollst. überarb. u. akt. Aufl., München: Beck, 2012, S. 46f.

13 Vgl. World Bank (ed.), Turn Down the Heat: Why a 4 °C Warmer World Must be Avoided. A Report for the World Bank by the Potsdam Institute for Climate Impact Research and Climate Analytics. Washington D.C.: The World Bank, 2012, S. xiv.

14 Tans, Pieter et al., Mauna Loa CO2 monthly mean data, 2014. – Link.

15 Tans, Pieter et al., Trends in Atmospheric Carbon Dioxide, 2014. – Link.

16 Zu den kleineren Auf- und Abwärtsbewegungen der Kurve vgl. Lienkamp, Andreas, „Der Klimawandel als ethisches Problem“, in: Geiger, Gunter / van Saan-Klein, Beatrice (Hrsg.), Menschenrechte weltweit – Schöpfung bewahren! Grundlagen einer ethischen Umweltpolitik, Opladen / Berlin / Toronto: Verlag Barbara Budrich, 2013, S. 121-154, hier S. 127 Anm. 6.

17 Vgl. Rahmstorf / Schellnhuber 2012 (Fn. 12), S. 33-36, sowie das Schaubild ebd., S. 34.

18 IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 18.

19 IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 25.

20 Vgl. Vermeer, Martin / Rahmstorf, Stefan, „Global sea level linked to global temperature“, in: Proceedings of the National Academy of Sciences 106 (2009) Nr. 51, S. 21527-21532, hier S. 21531.

21 Vgl. Schaeffer, Michiel / Hare, William / Rahmstorf, Stefan / Vermeer, Martin, „Long-term sea-level rise implied by 1.5 °C and 2 °C warming levels“, in: Nature Climate Change 2 (2012) S. 867-870.

22 Vgl. Robine, Jean-Marie et al., Report on excess mortality in Europe during summer 2003 (EU Community Action Programme for Public Health, Grant Agreement 2005114), 2007, S. 2. – Link.

23 IPCC WG1 2013 (Fn. 3), S. 7.

24 Vgl. dazu Lienkamp, Andreas, „Die wachsende Konkurrenz um die Güter der Erde. Ressourcenkonflikte aus schöpfungstheologischer und christlich-ethischer Sicht“, in: Amosinternational 8 (2014) Nr. 1, S. 3-11, sowie Schneckener, Ulrich / Scheliha, Arnulf von / Lienkamp, Andreas / Klagge, Britta (Hrsg.), Wettstreit um Ressourcen. Konflikte um Klima, Wasser und Boden, München: oekom, 2014.

25 Klimakonvention 1992 (Fn. 5), Präambel, Art. 3 Nr. 1, Art. 4 I, Art. 7 II b, c, Art. 22 II), Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, in: Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2002, Teil II, Nr. 16, ausgegeben zu Bonn am 2. Mai 2002, S. 967-997, Art. 10, 13 IV c, d, Art. 24 II.

26 IPCC WG2 2014 (Fn. 10), S. 6f.

27 Revkin, Andrew C., The Climate Divide. Reports From Four Fronts in the War on Warming, in: The New York Times, April 3, 2007. – Link.

28 Held, Hermann, Natürliche Ressourcen. Bedrohung der Ökologie, intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit. Vortrag im Rahmen der Jubiläumstagung des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften „Ressourcen – Lebensqualität – Sinn. Gerechtigkeit für die Zukunft denken“, Münster 4.10.2012, o. S.

29 World Commission on Environment and Development, Our Common Future, in: United Nations General Assembly. Forty-second session, 4. August 1987. A/42/427, Overview, Nr. 26.

30 Schellnhuber, Hans Joachim, What Is Dangerous Climate Change? CLIM Hearing, European Parliament, Brussels, 10. September 2007, S. 25. – Link.

31 Vogt, Markus, „Art. Retinität“, in: Korff, Wilhelm / Beck, Lutwin / Mikat, Paul (Hrsg.), Lexikon der Bioethik, Studienausgabe, Bd. 3, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2000, S. 209-210, hier S. 209.

32 Obligatio in solidum meint im Schuldrecht die Haftung des einzelnen für die Schulden der Gemeinschaft wie auch die Haftung der Gemeinschaft für die Verpflichtungen ihrer Mitglieder. Vgl. Bayertz, Kurt / Boshammer, Susanne, „Art. Solidarität“, in: Gosepath, Stefan / Hinsch, Wilfried / Rösler, Beate (Hrsg.), Handbuch der Politischen Philosophie und Sozialphilosophie, Bd. 2, Berlin: de Gruyter, 2008, S. 1197-1201, hier S. 1197.

33 Nell-Breuning, Oswald von, Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre, 2. Aufl., München: Olzog, 1985, S. 54.

34 Dies wird in Abschnitt II.3 näher untersucht.

35 Tugendhat, Ernst, Vorlesungen über Ethik, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1993, S. 84.

36 Peukert, Helmut, Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentale Theologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1978, S. 309.

37 Siehe etwa die Einwände von Richard Rorty, die hier allerdings nicht weiter verfolgt werden können. Vgl. dazu Bayertz / Boshammer 2008 (Fn. 32), S. 1199, sowie ebd., S. 1200, die Ausführungen zu Vor- und Nachteilen partikularistischer und universalistischer Ansätze.

38 Peukert, Helmut, „Kritische Theorie und Pädagogik“, in: Zeitschrift für Pädagogik 30 (1983) S. 195-217, hier S. 215.

39 Korff, Wilhelm, „‚Die Schöpfung hat Gott im Rücken und vor sich‘. Wilhelm Korff im Gespräch mit Wolfgang Küpper“, in: Bachleitner, Gerhard / Wingen, Wolfram (Hrsg.), Moderne im Umbruch. Fragen nach einer zukunftsfähigen Ethik (Studien zur theologischen Ethik 98), Fribourg: Universitätsverlag / Freiburg-Wien: Herder, 2003, S. 176-211, hier S. 188.

40 Vgl. ebd.

41 Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 82, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), Bonn: DBK, 1988, Nr. 38.

42 Domitius Ulpianus, Fragment 10 (überliefert in den Institutionen Justinians I., I.1.pr.).

43 Mieth, Dietmar, Kleine Ethikschule, Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2004, S. 144.

44 Robinson, Mary, „Issue Human Rights“, in: NorthSouthEastWest. A 360° view of climate change, published by the Climate Group, Edenbridge: St Ives Westerham Press, 2005, S. 64-65, hier S. 65.

45 United States Conference of Catholic Bishops, Global Climate Change: A Plea for Dialogue, Prudence, and the Common Good, Washington, D.C.: USCCB, 2001, S. 10.

46 Vgl. Mieth 2004 (Fn. 43), S. 146.

47 Ebd., S. 145.

48 „The Alliance of Small Island States (AOSIS) is a coalition of small island and low-lying coastal countries that share similar development challenges and concerns about the environment, especially their vulnerability to the adverse effects of global climate change. It functions primarily as an ad hoc lobby and negotiating voice for small island developing States (SIDS) within the United Nations system.“ AOSIS, About AOSIS. – Link.

49 Vgl. Mieth, Dietmar, Moral und Erfahrung, Bd. 2: Entfaltung einer theologisch-ethischen Hermeneutik, Freiburg: Herder / Fribourg: Universitätsverlag, 1998, S. 179; Mieth 2004 (Fn. 43), S. 145f.

50 klima-allianz deutschland, Das Bündnis stellt sich vor. – Link: „Angesichts der immensen Herausforderung, die der Klimawandel für Natur und Gesellschaft darstellt, haben sich über 110 Organisationen zu einem Bündnis zusammengeschlossen: der klima-allianz deutschland. Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, dass jetzt politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine drastische Senkung der Treibhausgase in Deutschland bewirken.“

51 Johannes Paul II., Friede mit Gott dem Schöpfer – Friede mit der ganzen Schöpfung. Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar [1990] [8.12.1989], Nr. 6. – Link.

52 Vgl. ebd., Nr. 7f.

53 Rahmstorf und Richardson schreiben mit Blick auf die positiven Rückkopplungen in den Weltmeeren: „Abermals werden wir daran erinnert, dass die verschiedenen Komponenten des Systems Erde alle miteinander zusammenhängen. […] Um die Zukunft des Ozeans zu sichern, ist es wichtig, dass wir ihn als Teil des Erdsystems insgesamt würdigen und sämtliche Interaktionen innerhalb dieses Systems zu verstehen versuchen. Obwohl unser Wissen, wie das System Erde funktioniert, noch ziemlich rudimentär ist, reicht es doch aus zu erkennen, dass eine Veränderung an einer Stelle zu unerwarteten Folgen an einer völlig anderen führen kann.“ Rahmstorf, Stefan / Richardson, Katherine, Wie bedroht sind die Ozeane? Biologische und physikalische Aspekte, Frankfurt/M.: Fischer, 2007, S. 165.

54 Vgl. Lienkamp 2009 (Fn. 2), Abschnitt 3.1.6.

55 Erstmals in Korff, Wilhelm, „Leitideen verantworteter Technik“, in: Stimmen der Zeit 114 (1989) S. 253-266.

56 Korff 2003 (Fn. 39), S. 197.

57 Ebd.

58 Vogt 2000 (Fn. 31), S. 210

59 Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung. Umweltgutachten 1994 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (BT-Drs. 12/6995), Bonn: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft, 1994, Nr. 10*. Vgl. auch ebd., Nr. 9.

60 Korff 2003 (Fn. 39), S. 197.

61 Vogt 2000 (Fn. 31), S. 209.

62 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Eingeleitet und kommentiert von Marianne Heimbach-Steins und Andreas Lienkamp (Hrsg.), unter Mitarbeit von Gerhard Kruip und Stefan Lunte, München: Don Bosco, 1997, Nr. 124f.

63 Vgl. Die deutschen Bischöfe – Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, Handeln für die Zukunft der Schöpfung (Die deutschen Bischöfe – Erklärungen der Kommissionen 19, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), Bonn: DBK, 1998, Nr. 96, 114, 118ff, 140f.

64 Vgl. Die deutschen Bischöfe – Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen / Kommission Weltkirche, Der Klimawandel: Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit. Ein Expertentext zur Herausforderung des globalen Klimawandels (Die deutschen Bischöfe – Erklärungen der Kommissionen 29, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), 2., aktualisierte Aufl. Bonn: DBK, 2007, Nr. 42.

65 Korff 2003 (Fn. 39), S. 199.

66 DBK 1998 (Fn. 63), Nr. 118.

67 Vgl. Schüller, Bruno, Die Begründung sittlicher Urteile. Typen ethischer Argumentation in der Moraltheologie, 2. Aufl., Düsseldorf: Patmos, 1980, S. 65: „Das Gute ist das der Liebe Würdige und Werte, das, was anerkannt und bejaht zu werden verdient.“

68 Schüller 1980 (Fn. 67), S. 310.

69 Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung, in: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro – Dokumente. Klimakonvention, Konvention über die Biologische Vielfalt, Rio-Deklaration, Walderklärung, hrsg. vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn: BMU, 1992, S. 39-43, hier Grundsatz 2.

70 Höffe, Otfried, „Art. Goldene Regel“, in: ders. (Hrsg.), Lexikon der Ethik, 6. Aufl., München: Beck, 2002, S. 101-102, hier S. 101.

71 Schüller 1980 (Fn. 67), S. 310; vgl. Höffe 2002 (Fn. 70), S. 101

72 Vgl. Stiftung Weltethos (Hrsg.), Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos. Beilage zur Ausstellung, Tübingen: Stiftung Weltethos, 2000, sowie Scarboro Missions (Ed.), The Golden Rule Across the World’s Religion. Thirteen Sacred Texts – English, French, Spanish, Italian, German and Portuguese, Toronto 2010. – Link.

73 Wolbert, Werner, „Art. Ethik“, in: Rotter, Hans / Virt, Günter (Hrsg.), Neues Lexikon der christlichen Moral, Innsbruck-Wien: Tyrolia, 1990, S. 158-164, hier S. 162.

74 Vgl. dazu auch die alttestamentlichen Texte Exodus 23,4f und Sprichwörter 25,21.

75 Baeck, Leo, „Die Schöpfung des Mitmenschen“, in: Verband der deutschen Juden (Hrsg.), Soziale Ethik im Judentum, 2. Aufl., Frankfurt/M.: J. Kauffmann, 1914, S. 9-15, hier S. 11.

76 Vgl. Cohen, Hermann, Der Nächste. Vier Abhandlungen über das Verhalten von Mensch zu Mensch nach der Lehre des Judentums, Berlin: Schocken, 1935, S. 59, sowie Buber, Martin, „Vorbemerkung“, in: ebd., S. 6-7, hier S. 6.

77 Amos 5,24.

78 Vgl. Genesis 1,26f.

79 Psalm 8,6.

80 Leo Baeck spricht von „dem einen Menschengeschlecht und dem einen Menschenrecht“. Baeck 1914 (Fn. 75), S. 12.

81 Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785), in: Akademie-Ausgabe, Bd. 4, S. 385-463, hier S. 429.

82 Kant, Immanuel, Die Metaphysik der Sitten (1797), in: Akademie-Ausgabe, Bd. 6, S. 203-493, hier S. 436.

83 Kant, Immanuel, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, Anhang II: Von der Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transcendentalen Begriffe des öffentlichen Rechts (1795), in: Akademie Ausgabe, Bd. 8, S. 341-386, hier S. 385.

84 World Commission on Environment and Development 1987 (Fn. 29), Overview, Nr. 27.

85 Ebd., Kap. 2, Nr. 1.

86 Vgl. Genesis 5,3.

87 Jonas, Hans, Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1979, S. 36.

88 Aesop, Fabeln. – Link.

89 Mahavira, Sutrakritanga 1;11,33, zit. nach Scarboro Missions 2010 (Fn. 72), S. 3.

90 Stevens, Christine, zit. nach Scarboro Missions, Commentaries on the Golden Rule. Link.

91 Schweitzer, Albert, Die Ehrfurcht vor dem Leben. Grundtexte aus fünf Jahrzehnten, hrsg. von Hans Walter Bähr, 7. Aufl., München: Beck, 1997, S. 95.

92 Vgl. ebd., S. 97.

93 Ebd., S. 95.

94 Genesis 1,4.10.12.18.21.25 bzw. 1,31, Jesus Sirach 39,16 sowie 1 Timotheus 4,4.

95 Weisheit 11,26.

96 Vgl. Epheser 5,1.

97 Werbick, Jürgen, „Art. Schöpfung“, in: Korff, Wilhelm / Beck, Lutwin / Mikat, Paul (Hrsg.), Lexikon der Bioethik, Studienausgabe, Bd. 3, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2000, S. 242-245, hier S. 245.

98 Übereinkommen über die Biologische Vielfalt, in: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro – Dokumente. Klimakonvention, Konvention über die Biologische Vielfalt, Rio-Deklaration, Walderklärung, hrsg. vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn: BMU, 1992, S. 23-38, hier Präambel.

99 Vgl. Johannes Paul II., zit. nach Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche, Freiburg / Basel / Wien: Herder, 2006, Nr. 470.

100 Im Original „gas nocivi“, in der englischen Übersetzung „harmful gases“. „Giftstoffe“, so die deutschsprachige Fassung, herausgegeben vom Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, geht an der gemeinten Sache vorbei.

101 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben „Ecclesia in America“ (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 141, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), Bonn: DBK, 1999, Nr. 25 und 56.

102 Benedikt XVI., Letter to the Ecumenical Patriarch of Constantinople on the occasion of the Seventh Symposium of the Religion, Science and the Environment movement, September 1, 2007. Link.

103 Benedikt XVI., Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfung. Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2010, Nr. 13. – Link.

104 Franziskus, Ansprache bei der 38. Sitzung der der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), 20. Juni 2013, Nr. 3. – Link.

105 Vgl. DBK 2007 (Fn. 64), Nr. 49.

106 Vgl. DBK 2007 (Fn. 64), Nr. 57, sowie Robinson, Mary, Climate Change and Justice. Barbara Ward Lecture, London, 11 December 2006, 2. – Link: „I believe that […] we can no longer think about climate change as an issue where the rich give charity to the poor to help them to cope with its adverse impacts. Rather, this has now become an issue of global injustice that will need a radically different framing to bring about global justice.“

107 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Hauptgutachten, Berlin: WBGU, 2011, S. 1.

108 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Die Zukunft der Meere – zu warm, zu hoch, zu sauer. Sondergutachten, Berlin: WBGU, 2006, S. 50.

109 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Kassensturz für den Weltklimavertrag – Der Budgetansatz. Sondergutachten, Berlin: WBGU, 2009, S. 2.

110 Vgl. ebd., S. 3.

111 Zum Folgenden vgl. Lienkamp 2009 (Fn. 2), S. 382-455, und DBK 2007 (Fn. 64), Nr. 46-64.

112 Intergovernmental Panel on Climate Change, „Summary for Policymakers“, in: Climate Change 2014, Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge, U.K. / New York: Cambridge University Press, 2014, S. 1-31, hier S. 4: „Mitigation is a human intervention to reduce the sources or enhance the sinks of greenhouse gases.“

113 Vgl. Der Schöpfung verpflichtet. Anregungen für einen nachhaltigen Umgang mit Energie. Ein Expertentext zu den ethischen Grundlagen einer nachhaltigen Energieversorgung (Arbeitshilfen 245, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz), Bonn: DBK, 2011.

114 WBGU 2011 (Fn. 107), S. 40.

115 Weizsäcker, Ernst Ulrich von, Erdpolitik. Ökologische Realpolitik als Antwort auf die Globalisierung, 5. Aufl., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997, S. 145.

116 Stern, Nicholas, The Economics of Climate Change. The Stern Review, Cambridge: University Press, 2007, S. 27.

117 Klimakonvention 1992 (Fn. 5), Art. 4 I b.

118 IPCC WG2 2014 (Fn. 10), S. 5: „The process of adjustment to actual or expected climate and its effects. In human systems, adaptation seeks to moderate or avoid harm or exploit beneficial opportunities. In some natural systems, human intervention may facilitate adjustment to expected climate and its effects.“

119 Lechtenböhmer, Stefan / Scholten, Anja, „Anpassungsstrategien an den unvermeidlichen Klimawandel: Global, national und regional“, in: Hiller, Bettina / Lange, Manfred A. (Hrsg.), Globale Umweltveränderungen und Wetterextreme – Was kostet der Wandel? (Zentrum für Umweltforschung – Vorträge und Studien 17), Münster: ZUFO, 2007, S. 135-147, hier S. 146.

120 International Panel on Climate Change, Vierter Sachstandsbericht des IPCC (AR4). Klimaänderung 2007: Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger, deutsche Übersetzung hrsg. von ProClim – Forum for Climate and Global Change, dem Umweltbundesamt Österreich und der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle, Bern / Wien / Berlin: ProClim u. a., 2007, S. 37.

121 Rahmstorf / Schellnhuber 2012 (Fn. 12), S. 124

122 Brennan, William J., Dissenting Opinion. DeShaney v. Winnebago County Department of Social Services (489 U.S. 189, 1988-89). – Link.

123 Robinson 2005 (Fn. 44), S. 65.

124 Vgl. Stern 2007 (Fn. 116), S. xv, 239f und 650f.

125 United States Conference of Catholic Bishops 2001 (Fn. 45), S. 6.

126 Ebd., S. 3.

127 Kim, Jim Yong, Foreword, in: The World Bank (Ed.), Turn Down the Heat: Why a 4°C Warmer World Must be Avoided. A Report for the World Bank by the Potsdam Institute for Climate Impact Research and Climate Analytics, Washington D.C.: The World Bank, 2012, S. ix-x, hier S. ix.

128 Robinson 2006 (Fn. 106), S. 4.

129 Gore, Al, Eine unbequeme Wahrheit. Die drohende Klimakatastrophe und was wir dagegen tun können, 3. Aufl., München: Riemann, 2006, S. 11; vgl. ebd., S. 71.

130 Robinson 2006 (Fn. 106), S. 5.

131 Gore, Al, Academy Awards Acceptance Speech, February 25, 2007. – Link.